Otto Schmidt Verlag

Aktuell im MietRB

Das Ende der Bleirohre (Pfeifer, MietRB 2024, 208)

Die Trinkwasserverordnung, beruhend auf der Ermächtigung von § 38 des Infektionsschutzgesetzes, regelt im Wesentlichen die Qualität des Trinkwassers. Mit der am 24.6.2023 in Kraft getretenen Novelle erfuhr die Verordnung eine umfassende Erweiterung. Nach dem neu gefassten § 17 TrinkwasserV sind bis zum Ablauf des 12.1.2026 vorhandene Trinkwasserleitungen aus Blei zu entfernen oder stillzulegen. Die erfolgte Beseitigung/Stilllegung ist dem Gesundheitsamt unaufgefordert nachzuweisen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Neuregelungen und weist auf einzelne Folgerungen hin.


I. Ausgangspunkt

II. Hintergrund zur Bleiproblematik

1. Grenzwerte wurden schrittweise reduziert

2. TrinkwasserV ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB

III. Grenzwertüberschreitung

1. Meldepflicht

2. Maßnahmen des Gesundheitsamtes

IV. Entfernen von Bleirohren

1. Rohre mit Innenbeschichtung

2. Kein Bestandsschutz für Bleirohre

3. Kosten der Entfernung bzw. Stilllegung

V. Informationspflicht beim Hausverkauf

VI. Kenntnis von Bleirohren

VII. Informationspflicht

1. Textform genügt

2. Informationspflicht zur voraussichtlichen Beseitigung

3. Informationspflicht nach erfolgter Beseitigung

4. Reaktionsmöglichkeit der Mieter bzw. Wohnungseigentümer

VIII. Rohrsanierung

1. Duldungspflicht des Mieters

2. Materialfragen zur Rohrsanierung

3. Austausch von Bleirohren keine Modernisierung

4. Rohrsanierung mit Epoxidharz

a) Pro Verwendung von Epoxidharz

b) Contra Verwendung von Epoxidharz

5. Installation von Kupferrohren

6. Materialauswahl eigenverantwortlich abwägen

7. Edelstahlrohre

IX. Pflichtmitteilungen an das Gesundheitsamt


I. Ausgangspunkt

Motiv der Neuregelung ist, dass im Gebäudebestand das Vorhandensein bleierner Trinkwasserleitungen nach wie vor nicht auszuschließen ist. So wurden beispielsweise im Jahre 2023 von den Berliner Wasserbetrieben auf privaten Wunsch 656 Wasserproben untersucht, von denen 107 mal Blei nachgewiesen wurde und in 45 Fällen sogar eine Grenzwertüberschreitung. Bei Verwendung von Bleirohren in der Hausinstallation können ungünstigstenfalls bis zu 0,5 Milligramm Blei pro Liter Wasser aufgenommen werden. Dies kann zu chronischen Schad-Wirkungen auf Blutbildung, Nieren und Nervensystem führen. Bei Kenntniserlangung des Vorhandenseins von Bleiinstallationen treffen den Betreiber einer Gebäudewasserversorgungsanlage die in § 17 Abs. 5 TrinkwasserV geregelten Informationspflichten.

Wird von einem Installationsunternehmen das Vorhandensein bleierner Trinkwasserrohre festgestellt, so hat es nach § 17 Abs. 6 das Gesundheitsamt unverzüglich zu unterrichten.

II. Hintergrund zur Bleiproblematik

Mit deutlichen regionalen Unterschieden wurde Blei noch bis in die 1950er Jahre für Trinkwasserleitungen verwendet. Und Installateure berichten, dass z.T. bis in die 1970er Jahre verzinkte Stahlrohre verwendet wurden, deren Verzinkung bleihaltig war. Weiter ist außerhalb der Fachbranche kaum bekannt, dass bleihaltige Kupferlegierungen ebenfalls Blei ins Trinkwasser abgeben können. So kann Messing nämlich Blei enthalten, weil letzteres dem Kupfer als Legierungsbestandteil hinzugefügt wird, um die mechanische Bearbeitbarkeit zu erleichtern.

1. Grenzwerte wurden schrittweise reduziert

Im Allgemeinen hatte der Eintrag von Blei aus Bleirohren ins Trinkwasser seit den 1970er Jahren deutlich abgenommen. 1975 lag der gesetzliche Grenzwert für Blei bei 0,040 mg je Liter. Im Jahre 2013 wurde der Grenzwert auf maximal 0,01 mg Blei je Liter herabgesetzt. Dieser Grenzwert gilt bis zum Ablauf des 11.1.2028; ab dem 12.1.2028 gilt ein Grenzwert von 0,005 mg je Liter. Dabei kommt es gem. §§ 10, 41 auf die Entnahme an der Zapfstelle, umgangssprachlich: am Wasserhahn, an. Bei Verwendung von Bleirohren als Hausinstallationsleitung können in ungünstigen Fällen über verzehrtes Trinkwasser bis zu 0,5 Milligramm Blei pro Liter aufgenommen werden.

2. TrinkwasserV ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB

Im Niedrigdosisbereich kommt es durch Blei zu chronischen Wirkungen z.B. auf Blutbildung und Nieren. Besonders empfindlich gegenüber Blei ist das Nervensystem. Zu den Risikogruppen gehören insbesondere Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter. Fatal ist, dass es „bereits im Frühstadium der noch nicht erkannten Schwangerschaft ... zu einer Bleiexposition des sich entwickelnden Kindes kommen“ kann. Nicht ohne Grund ist daher die TrinkwasserV ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB: Sie bezweckt sowohl den Schutz des Einzelnen und sie dient – wie auch das Infektionsschutzgesetz – dem Gemeinwohl.

III. Grenzwertüberschreitung

Nach § 7 Abs. 2 dürfen die in Anlage 2 Teil II festgelegten Grenzwerte für chemische Parameter nicht überschritten werden, also für Blei bis zum 11.1.2028: (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.07.2024 10:36
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite