Otto Schmidt Verlag

AG Hamburg v. 19.4.2024 - 49 C 373/23

Auseinandersetzung einer Kommanditgesellschaft - Wer ist Vermieter?

Die Übertragung des Eigentums an einem Mietobjekt im Rahmen der Auseinandersetzung einer Kommanditgesellschaft auf einen Kommanditisten führt nach § 566 Abs. 1 BGB zu einem Wechsel der Vermieterstellung (Abgrenzung zu BGH-Beschl. v. 9.1.2019 - VIII ZB 26/17). Auf den Fall des § 566 Abs. 1 BGB ist § 727 Abs. 1 ZPO jedenfalls analog anwendbar.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte im November 2008 mit der C. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Wohnungsgesellschaft) einen Mietvertrag über eine im dritten Obergeschoss gelegene Wohnung abgeschlossen. Nachdem die Wohnungsgesellschaft das Mietverhältnis am 20.9.2013 ordentlich als sog. Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 1 Nr. 3 BGB) gekündigt und anschließend Klage auf Räumung eingereicht hatte, einigten sich der Beklagte und die Wohnungsgesellschaft am 6.4.2016 auf einen Vergleich. Darin hieß es u.a.:

„Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten wird fortgesetzt gemäß Mietvertrag vom 20.11.2008/6.11.2008.
Die Klägerin räumt dem Beklagten das Recht ein, die Wohnung Nr. […], ca. 61,69 m2, oder die Wohnung […], 81 m2, in dem neu herzurichtenden Gebäude im […], nach Fertigstellung voraussichtlich in ca. 2 Jahren zu beziehen.
Sollte die Klägerin nach Fertigstellung der Wohnungen dem Beklagten nicht die von ihm ausgewählte Wohnung zur Verfügung stellen, wird eine Vertragsstrafe von 50.000 € fällig.“


Entsprechend der Vereinbarung räumte der Beklagte die Wohnung und bezog vorübergehend zur Ermöglichung der geplanten Baumaßnahmen eine, damals ebenfalls im Eigentum der Wohnungsgesellschaft stehende Wohnung. Die alte Wohnung im dritten Obergeschoss wurde abgerissen. Weitere Bauarbeiten blieben in den Folgejahren aus. Die Wohnungsgesellschaft gab das ursprüngliche Bauvorhaben auf dem Grundstück auf.

Im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung brachte der ausscheidende Kommanditist der Wohnungsgesellschaft J., der zugleich Kommanditist der Klägerin sowie Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin ist, seine Beteiligung an der Wohnungsgesellschaft in die Klägerin ein. Diese trat als Kommanditistin im Wege der Sonderrechtsnachfolge in die Wohnungsgesellschaft ein. Mit dem Zeitpunkt der wirksamen Übertragung des Kommanditanteils auf die Klägerin gingen die von J. abgegebenen Erklärungen sowie die sich für ihn ergebenden Rechte und Pflichten, soweit sie nicht (auch) bei ihm verblieben sind, auf die Klägerin über.

Auf Antrag des Beklagten erteilte das AG Hamburg auf die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 6.4.2016 eine Rechtsnachfolgeklausel auf Schuldnerseite gegen die Klägerin. Diese war der Ansicht, sie sei nicht Partei des in Bezug genommenen Vergleichs. Ein Übergang des Mietverhältnisses nach § 566 Abs. 1 BGB habe nicht stattgefunden. Es fehle an der notwendigen Voraussetzung der Überlassung der Wohnung an den Beklagten zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs. Die Publizität des § 566 BGB sei nicht gewahrt.

Das AG hat die gegen die titelumschreibenden Vollstreckungsklausel gerichteten Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Beklagten wurde durch das nach § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG funktionell zuständige Klauselorgan zu Recht eine vollstreckbare Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs vom 6.4.2016 gegen die Klägerin erteilt, denn diese ist nach Titelerrichtung mit der Grundbucheintragung als neue Vermieterin gem. § 566 Abs. 1 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis mit dem Beklagten ergebenden Rechte und Pflichten und damit in die Stellung der in dem Prozessvergleich bezeichneten Schuldnerin eingetreten.

Die Übertragung des Eigentums an einem Mietobjekt im Rahmen der Auseinandersetzung einer Kommanditgesellschaft auf einen Kommanditisten führt nach § 566 Abs. 1 BGB zu einem Wechsel der Vermieterstellung (Abgrenzung zu BGH-Beschl. v. 9.1.2019 - VIII ZB 26/17). Auf den Fall des § 566 Abs. 1 BGB ist § 727 Abs. 1 ZPO jedenfalls analog anwendbar. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 566 Abs. 1 BGB folgt eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 566 Abs. 1 BGB auf Fälle, in denen mieterseitig ein Besitzrecht besteht.

Es hatte hier ein Wechsel der Rechtsträgerschaft von der Wohnungsgesellschaft auf die Klägerin stattgefunden. Wohnungsgesellschaft und Klägerin, als ausscheidende Kommanditistin, hatten sich im Rahmen der Ausscheidensvereinbarung darauf geeinigt, dass das ursprünglich im Eigentum der Wohnungsgesellschaft - und nicht ihrer Gesellschafter - stehende Grundstück zu Alleineigentum auf die Klägerin übergehen sollte. Aufgrund der Auflassung im Jahr 2018 wurde die Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Sie durfte auch nicht darauf vertrauen, dass das Mietverhältnis bei der Wohnungsgesellschaft verbleiben würde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.05.2024 09:14
Quelle: Landesrecht Hamburg

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